Pfr. Johann Heinrich Lavater (1652-1731)
Aufklärer und sozialer Denker
Von 1635-1744 amtierten in Gachnang drei Lavatergeneration als reformierte Pfarrer: Vater, Sohn und Grosssohn. Der bedeutendste von ihnen war Johann Heinrich Lavater, der die Gemeinde von 1677-1725 leitete. Er führte in Gachnang als erster Kirchgemeinde im Thurgau den sogenannten Stillstand ein, ein kirchliches Gremium, das beim Ehegericht, der Armenfürsorge und der Ordnung in der Gemeinde führend war.
Seine Stillstandsordnung wurde später für alle thurgauischen Kirchgemeinden wegweisend und prägte das kirchliche Leben bis ins 20. Jahrhundert. Pionierarbeit leistete er auch im Bereich der Brandversicherung. Er entwarf 1716 eine Brandsteuerordnung, die für alle Thurgauer Gemeinden angenommen und verpflichtend wurde. Diese Brandsteuerordnung wurde später zur eigentlichen Grundlage der privatwirtschaftlichen Brand- und Hagelversicherung im Thurgau.
Bernhard Greuter entstammte einer traditionsreichen reformierten Familie aus Kefikon. Seine Vorfahren sind in den Urkunden des Pfarrarchivs zum ersten Mal als Bauern in Samelsgrüt erwähnt. 1766/67 eröffnete er in seinem Heimatort Kefikon eine kleine Druckerei und Färberei. 1773 erbaute er in Islikon einen Gebäudekomplex, in dem er eine Druckerei und Färberei einrichtete: die Greuter’sche Fabrik. Unterstützt von seinen Söhnen erweiterte er 1805 sein Werk durch einen neuen Betrieb an der Murg in Frauenfeld.
Im Elsass beteiligte er sich an der Gründung eines grossen Textilbetriebes, der in den 1820er Jahren bis zu 2600 Beschäftigte hatte. Besonders tat sich Bernhard Greuter im sozialen Bereich hervor. Er fühlte sich für seine Arbeiter im höchsten Grade verantwortlich und leistete Pionierarbeit im Bereich der Krankenversorgung der Arbeiter. Über eine von ihm angeregte und ausgearbeitete Selbsthilfeorganisation führte er eine Art Krankenkasse ein: Jedes Mitglied musste wöchentlich 6 Kreuzer zahlen und hatte dafür bei Krankheit Anspruch auf 3 Gulden pro Woche. Wenn ein Arbeiter starb, wurden ebenfalls 3 Gulden an die Beerdigungskosten bezahlt, und sein Anteil am Fonds wurde den Hinterbliebenen ausgezahlt.
Pfr. Rudolf Hanhart (1780-1856)
Fortschrittlicher Pädagoge
Rudolf Hanhart war zunächst Pfarrhelfer und Lehrer in Diessenhofen. Sein Ruf drang bis nach Basel und er wurde 1817 zum Rektor des Gymnasiums gewählt. Er hielt Universitätsvorlesungen und erhielt 1823 einen Lehrstuhl für Pädagogik. Hanhart setzte sich vor allem für die Einführung der Arbeitsschule ein, die er als wesentliches Prinzip der Bildung erkannte. Es ging ihm um das Lernen mit Hilfe manueller Tätigkeit, die in den täglichen Unterricht eingebaut werden müsse. Ebenso setzte er sich dafür ein, dass Sport und Schwimmen in den Stundenplan aufgenommen werden. Pionierarbeit leistete er auch mit der Idee, Blinden- und Taubstummenklassen einzuführen.
Auf geistigen Granit und viel Kritik stiess er mit seiner Forderung, in Unterricht und Forschung endlich mehr auf Kulturgeschichte als auf Kriegsgeschichte Wert zu legen: «Es ist nach meinem Urteil eine Unart, die Kriegsgeschichte vorwalten zu lassen. Religion, Kultus, Gesittung, Wissenschaft, bürgerlicher und industrieller Verkehr bieten der Betrachtung so viele Seiten, dass wahrlich die Kriegsgetümmelei einmal in den Hintergrund gewiesen werden sollte.
1831 verliess Hanhart die Rheinstadt und folgte dem Ruf des Thurgauer Regierungsrates zum Pfarrer nach Gachnang. Von hier aus wirkte er in seinem Heimatkanton und modernisierte das Schulwesen. Ihm hat der Thurgau zu verdanken, dass schon sehr früh Nähschulen für die Mädchen und Werkunterricht für die Knaben eingerichtet wurden. Auch das kirchliche Leben der Kirchgemeinde Gachnang reorganisierte er, brachte die Sängergesellschaft wieder auf Vordermann und begleitete den Bau des neuen Pfarrhauses.
Forrers Grossvater wollte Anfang des 19. Jahrhunderts auf der Suche nach Arbeit von Bäretswil nach Ungarn reisen. Der Weg führte ihn durch Islikon, wo er an der eben von Bernhard Greuter eröffneten Fabrik vorbeikam und hier Arbeit fand. Als tüchtiger Mechaniker machte er sich bald selbständig, heiratete und gründete eine Familie.
Pfr. Dr. Alfred Aepli taufte und konfirmierte den jungen Ludwig Forrer in Gachnang und entdeckte bald dessen grosses Talent. Er förderte und unterstützte ihn, so dass er trotz des frühen Todes seines Vaters (1850) und der sehr spärlichen Familienfinanzen die Sekundarschule in Rickenbach und später die Kantonsschule in Frauenfeld besuchen konnte. Anschliessend studierte er Rechtswissenschaften, erlebte eine steile politische Kariere und wurde 1902 Bundesrat. Ludwig Forrer war ein überzeugter Demokrat und gilt als Vater der Schweizer Sozialgeschichte. Seine Vorstösse bezüglich AHV- und Kranken- und Unfallversicherung waren in der damaligen Zeit heftig umstritten. Er lebte seiner Zeit um einige Jahrzehnte voraus, da später die Grundgedanken seiner Gesetzesentwürfe Realität wurden.
Alfred Huggenberger ist der Sohn einer Familie, die seit 1570 in der Evangelischen Kirchgemeinde ansässig war. Zunächst war sie in Teufelsgrüt zuhause, das im 17. Jahrhundert nach Samuel Huggenberger in Samuelisgreut umbenannt wurde und heute verkürzt Samelsgrüt heisst. Später zog die Familie nach Bewangen ZH. 1904 brannte das Elternhaus in Bewangen durch einen Unglücksfall ab, worauf Alfred sich in Gerlikon ein neues Heim aufbaute.
Schon sehr früh zeigte sich bei Alfred Huggenberger dichterisches Talent. 1907 schaffte er mit seinem Buch Hinterm Pflug: Verse eines Bauern den literarischen Durchbruch, jedoch wie viele Schweizer Künstler nicht in seiner Heimat, sondern im Ausland, dem benachbarten Deutschland.
Neben seiner dichterischen Tätigkeit war Huggenberger Landwirt mit Leib und Seele. In Gerlikon trieb er bis ins hohe Lebensalter Ackerbau und Viehzucht. Er fand auf dem Gachnanger Friedhof in einer der Chornischen der spätgotischen Kirche seine letzte Ruhestätte.